Musik mit Erwachsenen, alten oder pflegebedürftigen MenschenMusikschule und Erwachsene, alte und pflegebedürftige MenschenAusführungen und Handreichungen des VdM: Perspektiven der/zur Inklusion(aus: Potsdamer Erklärung des VdM "Musikschule im Wandel - Inklusion als Chance)
Die demografische Entwicklung ist im Bewusstsein der Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Gesellschaft angekommen. Die Lebenserwartung steigt, die Zahl älterer Menschen nimmt zu. Den Hochrechnungen nach wird im Jahr 2030 der Anteil der über 60jährigen bei ca. 35% liegen (2000: 21%). Bis 2050 soll die Zahl der über 80jährigen von jetzt 4 Millionen auf ca. 10 Millionen ansteigen. Die Entwicklung geht von der „Alterspyramide“ (mehr Jüngere als Alte) zum „Alterspilz“. Diese Alterung der Gesellschaft stellt nicht nur die Sozial- und Gesundheitspolitik, sondern auch die Kultureinrichtungen vor Herausforderungen, bietet aber auch neue Möglichkeiten. Dies gilt entsprechend für die Öffentlichen Musikschulen, die VdM-Schulen.
Da sich Gesundheit und Mobilität immer länger erhalten, wächst besonders im nachberuflichen Lebensabschnitt das Bedürfnis nach Sinn erfüllender Aktivität, auch nach musikalischem Tun. Die Forschung belegt, dass im Alter Wahrnehmungsprozesse, Wissensstrukturen und muskelrelevante Bewegungsabläufe durch Übung beeinflussbar sind. Jeder kann noch lernen, oft allerdings etwas anders. Die Unterrichtsnachfrage nach Musikschulangeboten, die für diese Jahrgänge konzipiert sind, steigt. Motivation, Interesse und Aktivitätsbereitschaft sind unter älteren Menschen sehr unterschiedlich und verlangen ausdifferenzierte Angebote. Die Lebensalterszahl allein lässt nicht auf Interesse und Leistungsfähigkeit des Menschen schließen. Zwischen Kompetenz und Erfahrung einerseits sowie Defizitwahrnehmung und Einschränkung andererseits gibt es eine ausgeprägte Heterogenität Älterer hinsichtlich Gesundheit, Mobilität, Bedürfnissen und Möglichkeiten. Die Lernfähigkeit ist auch vom aktuellen Umfeld, der jeweiligen generellen Lernbereitschaft, vor allem aber von einem intensiven Lernen in früheren Lebensjahren abhängig. Sollen ältere Menschen sich für Musik interessieren, müssen sie in Kindheit und Jugend dafür geöffnet worden sein. Das Musikmachen im Alter wird in den ersten Lebensjahren angebahnt.
Auch für bisher musikferne ältere Menschen haben die Musikschulen motivierende Angebote. Die Elementare Musikpädagogik (EMP) ermöglicht auch älteren Menschen voraussetzungslos grundlegende, ästhetische Erlebnisse und Erfahrungen, in der Rhythmik kann Musik über den Körper erlebt und ausgedrückt werden, gleichzeitig werden Bewegungsfähigkeit und Bewegungsgefühl trainiert. Bei zunehmendem Lebensalter geht es mehr und mehr um „Bringe-Strukturen“: Musikschulen gehen in die Alteneinrichtungen selbst. Damit können auch abnehmend mobile Menschen erreicht werden.
Was gehört zum „Fitness“-Programm älterer Menschen? Die Altersforschung ist sich einig: Bewegung, Bildung und Soziales. Da haben die Musikschulen viel zu bieten, auch vor Ort in den Alteneinrichtungen. Zur Musik kann man sich genussvoll bewegen, auch noch im höchsten Alter. Zuerst noch auf den eigenen Beinen bei Folklore- und Ausdruckstanz, später im Stuhl sitzend. Das Singen im Chor kann Menschen bis in die höchsten Altersgruppen hinein begeistern. Lieder bieten emotionale Erlebnisse, können zum Nachdenken anregen und zu Gesprächen in der Gruppe. Musik kann man gemeinsam anhören und auf sich wirken lassen, Informationen zur Musik, zum Komponisten, zum Zeithintergrund aufnehmen und darüber sprechen. Das bringt Musikgenuss, regt den Kopf an und stellt Kontakte zu anderen Menschen her.
Der Vermutung nach ist jeder Mensch musikalisch. Das gilt für jedes Lebensalter. Die Nutzung der Musik wandelt sich jedoch im Laufe der Lebenszeit. Stehen bei jüngeren Menschen Unterricht und Bildung im Vordergrund, wird unter älter werdenden Menschen die emotionale, soziale und aktivierende Wirkung der Musik wichtiger. Auch in der Sicht der Alteneinrichtungen gesprochen: die präventive und pflegende Wirkung. Es geht über von der Konzeptorientierung zur Persönlichkeitsorientierung. Entsprechend lässt die Musikarbeit mit älteren, alten oder pflegebedürftigen Menschen, wie sie sich z.Zt. darstellt, dem Alterungsablauf entsprechend verschiedene Akzentuierungen beobachten: von Unterrichts- und Bildungsangeboten oder Auffrischung der früher erlernten musikalischen Fähigkeiten zu Gruppenangeboten mit Musik, die Kontakte, Anregungen, Musikerlebnisse, später Aktivierungen und Lebensqualität bringen, über die „Erinnerungsarbeit“ mit Liedern der Jugend, die Freude und Aufhellung aktueller negativer Selbstwahrnehmung bewirken, zu Angeboten, die das psychische und physische Befinden verbessern. Hier kommt es zu Überschneidungen mit musiktherapeutischen Angeboten.
Die hier aufgezählten verschiedenen Musikschulangebote sind pädagogischer Natur und müssen wie alle Angebotsformen der Musikschule mit der notwendigen und angemessenen pädagogischen und musikalischen Professionalität durchgeführt werden. Daher sind nicht alle neuen Angebote voraussetzungslos realisierbar. Die Musikschullehrkräfte benötigen spezielle Ausbildungen, mindestens als Zusatzqualifikation. Fort- und Weiterbildung im neuen Fach Musikgeragogik wird daher nachdrücklich empfohlen.
Die Aufgaben des Bundesverbandes und der Landesverbände
Die Aufgaben der Musikschulen vor Ort
Ausgehend von folgenden Fragestellungen entwickelt die Musikschule adäquate Konzepte und Angebote:
|