Die öffentliche Musikschule: Konzept, Aufbau und Struktur

Erläuterungen zum Strukturplan

Der Strukturplan beschreibt das Konzept und den Aufbau einer öffentlichen Musikschule in der Kommunalen Bildungslandschaft. Auf ihn beziehen sich die VdM-Rahmenlehrpläne bzw. Bildungspläne für sämtliche Unterrichtsfächer. Um einen vergleichbaren Qualitätsstandard des Musikschulangebots in ganz Deutschland zu gewährleisten, ist der Strukturplan für alle Mitgliedschulen im VdM verbindlich.

 

Rahmenlehrpläne

Für alle Unterrichtsfächer der Musikschule gibt es Rahmenlehrpläne (bzw. Bildungspläne), die Ziele und Inhalte der Ausbildung formulieren. Mehrjähriger, kontinuierlicher Unterricht führt zu einem Ergebnis, das – den Möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler entsprechend – den Anforderungen eines sinnerfüllten Musizierens besonders gerecht wird und die persönlichkeitsbildende Wirkung des aktiven Musizierens zum Tragen kommen lässt. Die jeweils angegebene Zeitdauer ist ein Mittelwert zur Orientierung. Sie gilt für zielgruppenspezifische Angebote nur eingeschränkt.

 

Elementarfächer / Grundfächer

Grundfächer bilden das Unterrichtsangebot der Musikschule in der Elementarstufe/Grundstufe. Sie können ohne besondere Voraussetzungen besucht werden. Hier steht die bildende Begegnung mit den elementaren musikalischen Erlebnis- und Ausdrucksweisen im Mittelpunkt: Sensibilisierung der Wahrnehmung – insbesondere des Gehörs –, das Erleben und Kennenlernen einer Vielzahl von Musikstücken und Instrumenten, der Umgang mit der Stimme und das Singen, die Erfahrung des Zusammenhangs von Musik und Bewegung, erstes Spiel mit Instrumenten sowie erste Einsichten in musikalische Zusammenhänge und der Umgang mit grundlegenden Elementen der Musiklehre.
Die Elementarfächer/Grundfächer dienen als Regelangebot der Musikschulen im Grundstufenbereich und umfassen vielfältige altersgerechte Formen (wie z. B. die „Musikalische Früherziehung“), die aufbauend angeboten werden.
Der Unterricht fördert individuelle musikalische Fähigkeiten und schafft die Grundlage für vielfältige musikalische Entwicklungen. Die Musikschule gewährleistet dabei eine fachkompetente pädagogische Betreuung, Beratung und Begabungsfindung. Der Besuch der Grundstufe ist in der Regel Voraussetzung für den nachfolgenden Instrumental- oder Vokalunterricht.
Die der Elementarstufe/Grundstufe zugrunde liegende Elementare Musikpädagogik kann auch Angebote für andere Zielgruppen als Kinder beinhalten - z. B. für ältere Anfängerinnen und Anfänger, Erwachsene, Seniorinnen und Senioren u. a. Als Übergang zwischen Grund- und Unterstufe können Orientierungsangebote eingerichtet werden, in denen Grundlagen vertieft, einzelne Instrumente erprobt und persönliche Neigungen und Begabungen festgestellt werden können. Elementare Musikpädagogik soll auch in der Studienvorbereitenden Ausbildung eine Rolle spielen.

 

Instrumental- / Vokalfächer

Mit einem breiten Fächerspektrum ermöglicht die Musikschule ihren Schülerinnen und Schülern, eine eigene musikalische Ausdrucksweise mit einem Instrument oder der Stimme zu erlernen und zu entwickeln. Instrumental- und Vokalfächer stehen im Mittelpunkt des weiterführenden Unterrichts der Musikschule.
Die auf die Unter-, Mittel- und Oberstufe abgestimmten Lehrpläne gewährleisten einen dem Alter und der persönlichen Entwicklung gemäßen Aufbau eines Lern- und Erlebnisprozesses, in dem musikalische und technische Herausforderungen miteinander harmonieren. In jeder Stufe können Einzelunterricht und eine der vielen Formen von Gruppenunterricht sinnvoll sein. Darüber entscheidet die Musikschule im Sinne einer optimalen Förderung der Schülerinnen und Schüler. Lehrpläne formulieren die Inhalte und Lernziele des Unterrichts an Musikschulen und geben damit den Lehrkräften eine Orientierung, ohne die Freiheit der Methode einzuschränken. Wesentliches Kennzeichen der Arbeit einer Musikschule ist die sorgfältige Abstimmung der praktischen, theoretischen, der allgemein-musikalischen und der speziellen instrumentalen oder vokalen Ausbildung.
Eine zentrale Aufgabe der Musikschularbeit ist das gemeinsame Musizieren von Anfang an. Musizieren mit Anderen ermöglicht die Anwendung des Gelernten, gibt Anregungen für die nächsten Schritte, schult Ohr und Reaktionsfähigkeit, steigert die Motivation und vermittelt soziale Kompetenz. 
Regelmäßiges Vorspielen/-singen fördert Selbstbewusstsein und Kritikfähigkeit und macht mit der Möglichkeit vertraut, sich über Musik mitzuteilen.
Erst ein mehrjähriger kontinuierlicher Unterricht kann Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, ihre individuellen musikalischen Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln und das aktive Musizieren als bedeutsam für ihr Leben wahrzunehmen. 
Die VdM-Rahmenlehrpläne sind so konzipiert, dass leistungsbereite Schülerinnen und Schüler die empfohlenen Lernziele von Unter- und Mittelstufe in jeweils etwa vier Jahren erreichen können. 
Schülerinnen und Schüler der Musikschule und ihre Eltern haben Anspruch auf qualifizierte und umfassende Beratung. Die Empfehlungen der Musikschule basieren auf der Einschätzung der Fachlehrkraft und dem Rat eines Teams erfahrener Kolleginnen und Kollegen.

 

Unterstufe

Das erste „Begreifen“ des Instruments, die Erkundung seiner klanglichen Möglichkeiten und eine entspannte Grundhaltung schaffen die Basis für eine Einheit von Körper und Instrument, von Klangvorstellung und Technik. Wichtige Anknüpfungspunkte bilden Erkenntnisse und Erlebnisse aus der Grundstufe. Die Beherrschung der Grundlagen des Umgangs mit Instrument oder Stimme ermöglicht das Erkennen formaler, harmonischer sowie struktureller Grundelemente, Improvisation und gemeinsames Musizieren sowie das niveaugerechte Spielen einfacher Stücke.

 

Mittelstufe

Ein gewachsenes musikalisches Vorstellungsvermögen erfordert eine entsprechende Weiterentwicklung der Technik. Diese ermöglicht den differenzierteren Umgang mit verschiedenen Epochen, Stilen und Formen der Musik. Im musikalischen Zusammenspiel ist bereits die Mitwirkung an großen Werken der Musik möglich. Unterricht in Theoriefächern fördert die Erkenntnis und Reflexion musikalischer Zusammenhänge. 

 

Oberstufe

Die Auseinandersetzung mit musikalisch anspruchsvollen und technisch schwierigen Werken motiviert bei besonderer Begabung und Leistungsbereitschaft dazu, die technischen und klanglichen Möglichkeiten zu perfektionieren. Die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe sind unverzichtbare Mitglieder in den Ensembles der Musikschule und übernehmen dabei auch solistische Aufgaben.

 

Studienvorbereitende Ausbildung (SVA)

Musikschulen bieten als intensive Förderung besonders begabten und interessierten Schülerinnen und Schülern, die ein musikalisches Berufsstudium (z. B. als Orchestermusiker, Musikpädagoge, Kirchenmusiker, Tonmeister/Ton­ingenieur o.a.) an einer Musikhochschule oder einer anderen Ausbildungsstätte für Musikberufe anstreben, eine Studienvorbereitende Ausbildung (SVA) an – ggfs. auch in Kooperation mit Musikhochschulen. Für diese Angebote in der SVA bieten die Richtlinien des VdM für die SVA eine Orientierung.

 

Ensemblefächer

Ensemblefächer sind in allen Leistungsstufen integraler Bestandteil des ganzheitlichen Bildungskonzepts der öffentlichen Musikschule. Das Zusammenspiel muss in seinen Techniken und Regeln ebenso erlernt und geübt werden wie Instrumentalspiel und Singen selbst. Erst die Befähigung dazu ermöglicht eine eigenständige Beteiligung am aktiven Musikleben. Im gemeinsamen Musizieren werden kommunikative und soziale Kräfte, die zum Wesen der Musik gehören, erlebbar, wirksam und lernbar.
Kontinuierliche Ensemblearbeit bildet daher an der Musikschule mit dem Unterricht im Instrumental- oder Vokalfach eine aufeinander abgestimmte Einheit und stellt ein herausragendes Merkmal öffentlicher Musikschularbeit dar. Eine Vielzahl vokaler und instrumentaler Ensembles unterschiedlicher Besetzungen und stilistischer Prägungen gehört daher zum verbindlichen Unterrichtsangebot der Musikschule.

 

Ergänzungsfächer

Ergänzungsfächer sind zum einen kontinuierliche Unterrichtsfächer, die zur inhaltlichen Bereicherung des instrumentalen und vokalen Bildungsangebots der Musikschule dienen. Insbesondere das Fach „Hörerziehung/Musiktheorie“ (Hören und Verstehen) soll im Rahmen der Musikschulausbildung belegt werden. Weitere Ergänzungsfächer sind beispielsweise Musikgeschichte, Akustik/Instrumentenkunde, Improvisation, Komposition oder Arrangement, Musikvermittlung, Musikproduktion, Korrepetition. Auch die Verbindung zu anderen Künsten (z. B. Tanz/Ballett) und in die digitale Welt sind Dimensionen des Angebotes öffentlicher Musikschulen. Musikschulen bieten vielfältige Spiel- und Experimentierräume.
Zum andern stellen sie auch eine Ergänzung des Musikschulangebotes dar, wie z. B. Musik und Bewegung, Tanz, Musiktheater, Darstellendes Spiel, Rhythmik oder auch Musiktherapie.

 

Kooperationen

Kooperationen mit Partnern in der Kommunalen Bildungslandschaft erfolgen auf Basis einer verbindlich vereinbarten Struktur. Kooperationen unterstützen einerseits die Bildungsarbeit in Kindertagesstätten und Schulen sowie bei weiteren Kooperationspartnern (z. B. in der Amateurmusik). Andererseits eröffnen sie breitere Zugänge zum Bildungsangebot der Musikschule. Kooperationen können auf vielfältige Weise erfolgen. Hier sind neben der Zusammenarbeit mit den allgemeinbildenden Schulen im Ganztagsbereich zahlreiche weitere Kooperationsformen gängige Praxis. Sie führen musikalische Kräfte und andere Ressourcen zusammen und sind eine sinnvolle Möglichkeit kommunaler Netzwerkbildung. Projekte können eine praktikable Einstiegsebene für Kooperationen darstellen. 

 

Projekte

Projekte sind zusätzliche musikpädagogische Angebote einer Musikschule. Sie sind zeitlich begrenzt und zumeist inhaltlich abgeschlossen. Mit Kursen, Workshops, Exkursionen, Kooperationen und anderen geeigneten Organisationsformen eröffnen sie einen Raum für besondere Aktivitäten der Musikschule.
Projekte gehen flexibel auf Nachfragen nach speziellen, fachlich geleiteten Angeboten ein, erweitern das Angebot für die eigenen Schülerinnen und Schüler, gewinnen neue Zielgruppen und ermöglichen die Erprobung neuer Angebote.

 

Veranstaltungen

Veranstaltungen gehören zum pädagogischen Auftrag und zum individuellen Erscheinungsbild einer Musikschule. Vorspiele und Konzerte sind für Schülerinnen und Schüler eine unverzichtbare Lernerfahrung, ein motivierendes Übe- und Probenziel – als ein Ergebnis ihres Unterrichts im Instrumental- oder Vokalfach wie auch im Ensemblefach. Die Auftrittserfahrung ist außerdem eine wesentliche Dimension des Musikerlebnisses, wendet sich Musik doch als künstlerische Kommunikation an ein Publikum.
Mit öffentlichen Veranstaltungen – auch gemeinsam mit Kooperationspartnern – gibt die Musikschule Einblick in ihre Arbeit. Sie beweist damit ihre Qualität und trägt aktiv zum Musikleben ihres Gemeinwesens bei.

 

Inklusion in der öffentlichen Musikschule

Musikschulen im VdM folgen einem weiten ­Inklusionsverständnis. Sie sind offen für alle ­interessierten Menschen. In diesem Inklusionsbegriff sind verschiedene Perspektiven angelegt: Die öffentliche Musikschule kann in diesem ­Inklusionsverständnis Angebote für Menschen mit Behinderungen subsumieren, die gesellschaftliche Partizipation älterer Menschen in den Blick nehmen, musikalische Ausdrucksformen von Menschen mit Migrationshintergrund sichtbar machen oder auch Freiräume für besondere Begabungen eröffnen. Inklusion und Diversität ergänzen sich – grundlegend ist jeweils das Verständnis von und der Umgang mit Heterogenität. Die öffentliche Musikschule ist offen für Musik und musikalische Praxen aller Kulturen. Wenn sich unterschiedliche Kulturen hörend und beim gemeinsamen Musizieren begegnen, entsteht die Basis für Verständnis, ­Respekt, gegenseitige Wertschätzung und Toleranz, als Gelingensbedingung für gesellschaftliche Integration.

 

Zu digitalen Unterrichtsaspekten in der Musikschule

Der Präsenzunterricht prägt weiterhin das Wirken öffentlicher Musikschulen auch im digitalen Wandel – dies jedoch zunehmend in digital gestützter Weise. Empfehlende Regelungen im Umgang mit der Digitalität und verlässliche Vereinbarungen darüber im Binnen- wie im Außenverhältnis kennzeichnen die musikalische Bildungsarbeit öffentlicher Musikschulen auch in der dynamischen digitalen Entwicklung. Mit dem Einsatz digitaler Unterrichtshilfen wird das Unterrichtsgeschehen nicht mehr nur auf die reine Unterrichtsstunde begrenzt, sondern darüber hinaus mit zusätzlichen lernfördernden Wegen und Materialien angereichert. Drei Lernszenarien in diesem Kontext sind:

a) synchrones Lernen (Präsenz- und Distanzunterricht), 

b) asynchrones Lernen (on demand, mit vorgegebener Struktur oder zum informellen Lernen), 

c) integriertes Lernen (kombinierte/ hybride Formen). 

 

Musizieren

Musizieren – für sich, in der Familie, in der allgemeinbildenden Schule, in Musikvereinigungen, in Kirche und in vielfältigen freien Gruppierungen, in informellen Kontexten und auch im virtuellen Raum – dazu bildet die Musikschule Schülerinnen und Schüler jeden Alters und auf jedem Leistungsstand aus. Das eigene Musizieren trägt zudem hervorragend dazu bei, eine musikalische Urteils- und Orientierungsfähigkeit zu entwickeln und das Ausdrucksvermögen zu erweitern. Dazu können das aktive Musikhören, der Besuch von Konzerten oder die intellektuelle Beschäftigung mit musikalischen Werken zum Erkenntnisgewinn beitragen. Der Eigenwert der Musik als Kunstdisziplin kann sich in der Bedeutung und im Wert für den einzelnen Menschen vollenden. 

Zugleich wird ein Bildungsprozess gefördert, der zum ganzheitlichen Verständnis des Einzelnen in der Welt und zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung beiträgt. Auf dem Fundament der langjährigen Ausbildung an der Musikschule können sich neben den musikalischen Fähigkeiten und Fertigkeiten weitere Kompetenzen wie z. B. Konzentrations- und Gestaltungsvermögen, Selbstwirksamkeitserfahrungen und Kreativität, Differenzierungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit, Achtsamkeit und Sozialkompetenz, Emanzipation ebenso wie Teamfähigkeit als wichtige Schlüsselqualifikationen ausgezeichnet entfalten.

 
Musizieren macht stark für ein gelingendes Leben
 
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