Sehnsuchtslieder in Sachsen-Anhalt. Ein Kreativworkshop rund um die Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger

Gröbzig in Sachsen-Anhalt besitzt etwas, das nur wenige andere Städte in Deutschland haben: eine Synagoge, die die Reichspogromnacht von 1938 unbeschadet überstanden hat. Diese Synagoge wird heute als Museum und Begegnungszentrum genutzt. Insgesamt 30 Jugendliche zwischen 11 und 16 Jahren haben in ihren Herbstferien 2013 an einem Kreativ-Workshop teilgenommen, der die Dichtungen und Lieder von Selma Meerbaum-Eisinger zum Thema hatte.

 

 

„Freiheit heißt, tun und lassen was man will“, so der Songtext von Annika, einer Workshop-Teilnehmerin. Freiheit, Ausgrenzung, Liebe und die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben sind die Themen, die auch die damals 15- bis 17-jährige Selma Meerbaum-Eisinger umtrieben und veranlassten, Gedichte zu schreiben. Selma Meerbaum-Eisinger wurde 1924 in Czernowitz (heutige Ukraine) in eine jüdische Familie geboren. Im Sommer 1941 wurde sie mit ihren Eltern in ein Ghetto gesperrt und später in ein Arbeitslager in Transnistrien, nach Mychajlivka verschleppt, wo sie im Dezember 1942 mit nur 18 Jahren an Flecktyphus starb. Sie hinterließ 57 Gedichte, welche von einer tiefen literarischen Begabung zeugen und erst in den 1970er Jahren wiederentdeckt und veröffentlicht wurden.

 

Die Auseinandersetzung mit den sehnsuchtsvollen Gedanken der jungen Dichterin schafft viele Anknüpfungspunkte zur Gegenwart von heutigen Jugendlichen. Die Träume und Wünsche einer jungen Frau, die infolge der dramatischen Ereignisse des Holocaust zunehmend bedroht sind, sind den Träumen und Wünschen heute Gleichaltriger erstaunlich ähnlich. Grund genug, diese zum Gegenstand eines einwöchigen Kreativ-Ferienworkshops für Jugendliche in einer Region zu machen, in der es ansonsten wenig bis gar keine Möglichkeiten für kreative Entfaltung gibt.

 

Die ca. 30 teilnehmenden Fahrschülerinnen und -schüler der Sekundarschule Gröbzig besuchten zum Auftakt und noch vor Beginn des eigentlichen Workshops eine Tanztheater-Aufführung im Rahmen von „Europas Jugend gegen Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“. Die Jugendlichen begegneten an diesem Abend erstmalig dem Schicksal und der Dichtung Selma Meerbaum-Eisingers sowie deren jüdischer Tradition. Die rhythmisch-tänzerische Form der Darstellung sprach vor allem die sinnlich-emotionale Ebene der Zuschauer an. Durch anschließende Gespräche mit den Musikern, Tänzern, Schauspielern und dem Regisseur erhielten die Jugendlichen tiefere Einblicke in den künstlerischen Schaffensprozess. Einen Monat später dann, im Workshop, konnten die Jugendlichen durch interaktive, erlebnisorientierte, theaterpädagogische Angebote zunächst die jüdische Tradition näher kennenlernen, um anschließend das Leben, die Gedichte und Lieder Selma Meerbaum-Eisingers, ihre Vertonung und die musikalischen Bezüge besser zu verstehen. Ab dem dritten Workshop-Tag erarbeiteten die Teilnehmenden in verschiedenen kleineren Gruppen eigene Theater-Szenen, „Sehnsuchtslieder“, Rap und bildkünstlerische Installationen. Sie machen Klang- und Bewegungsexperimente in den Räumen der Synagoge, lernen Klezmer-Musik und die Musik Gustav Mahlers kennen und erfahren, dass lyrische Inhalte durch das Zusammenbringen von Bewegung und Musik darstellbar und erlebbar werden. Insbesondere über Rhythmus, durch rhythmisches Bewegen, Sprechen und Klangerzeugen konnten die musikalisch nicht speziell geschulten Teilnehmenden neue künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten erfahren. Präsentiert wurden die Ergebnisse anschließend in der Schule, Musikschule und im Museum der Synagoge.

 

Das Ferienangebot wurde als Kooperationsprojekt zwischen der Musikschule Köthen, der Sekundarschule Gröbzig und dem Verein der Freunde und Förderer des Museum Synagoge Gröbzig e.V. konzipiert und soll im kommenden Jahr wiederholt werden.


zurück zu den Praxisbeispielen

Fortbildungen/Termine

VdM-Fortbildungen

Musikschulsuche

Finden Sie Ihre Musikschule

Musikschulsuche

Finden Sie Ihre Musikschule

(c) Verband deutscher Musikschulen e.V., www.musikschulen.de
gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend