Sommertournee 2025

Endlich Sommerferien! Und ca. 35 Grad locken bundesweit an Badeseen, in Freibäder oder zumindest Eisdielen. Während sich die Freundinnen und Freunde der 11- bis 20-jährigen Mitglieder der Deutschen Streicherphilharmonie (DSP) vermutlich ebendort tummeln, machen sich rund 60 junge Streichertalente auf den Weg nach Ochsenhausen – ein Ort, den wohl vor allen denjenigen bekannt ist, die selbst einmal Teil eines Jugendorchesters waren. Nach teils tagfüllenden Anreisen aus allen Regionen Deutschlands werden die Gänge und Zimmer des barocken Benediktinerklosters, das heute die Landesmusikakademie beherbergt, nicht nur zu einem Ort erfrischender Kühle, sondern auch zu einem Zuhause für die ersten Probentage der Sommertournee 2025. Wie bei jeder Arbeitsphase des jüngsten deutschen Spitzenorchesters sind manche Mitglieder zum ersten Mal dabei, andere dagegen schon sehr vertraut mit den Abläufen. Doch die besondere, familiäre Atmosphäre, die das Orchester seit Jahrzehnten prägt, kehrt schnell ein.
Die ersten Tage sind intensiven Registerproben unter der Leitung des bewährten Dozententeams des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, dem Patenorchester der DSP, gewidmet. Das Repertoire ist anspruchsvoll und vielfältig: von Bach bis hin zu zeitgenössischen Werken, ein Programm, das nicht nur für die bevorstehenden Konzerte, sondern auch für eine anschließende Studioaufnahme vorbereitet werden soll. Als Wolfgang Hentrich, Erster Konzertmeister der Dresdner Philharmonie und seit über einem Jahrzehnt Chefdirigent des Orchesters, am dritten Probentag das Orchester zur ersten Tuttiprobe begrüßt, steht das erste Etappenziel der Tournee bereits kurz bevor: eine öffentliche Generalprobe im Konzertsaal der Landesakademie Ochsenhausen. Das Publikum im schließlich voll besetzten Saal zeigt sich beeindruckt vom Programm und der Leistung der jungen Streicherinnen und Streicher. Für den reibungslosen Ablauf hier wie während der gesamten Tournee sorgt das erfahrene Betreuer- und Organisationsteam und begleitet die Kinder und Jugendlichen durch den intensiven Probenalltag.
Dann heißt es, wieder Koffer packen und im DSP-Doppeldeckerbus – wie immer gelenkt von Fahrer Rolf, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt - die nächste Reiseetappe an den Comer See in Italien anzusteuern. Über malerische Alpenpässe in der Schweiz führt die Route südwärts nach Como. Kaum angekommen, ziehen die Orchestermitglieder in kleinen Gruppen los, um die verwinkelten Gassen und das Panorama des Sees zu erkunden. Es wurde der einzige Tag der insgesamt 18-tägigen Tournee, an dem Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass freiwillig in ihren Etuis blieben.
Mit der Reise an den Comer See folgt die Deutsche Streicherphilharmonie einer Einladung der Villa Vigoni, dem Deutsch-Italienischen Zentrum für den Europäischen Dialog, und gestaltet das musikalische Programm des jährlichen Sommerfestes. Auch wenn das Orchester während des Konzerts mit dem Rücken zum See spielt, genießt das Publikum nicht nur eine hochkarätige Darbietung von Mozarts Divertimento in D-Dur, Tschaikowskis Serenade für Streicher und weiteren Werken, sondern auch den besonderen Anblick eines hochengagierten jungen Orchesters vor beeindruckender Kulisse. Das anschließende Büfett mit italienischen Spezialitäten wird unvergessen bleiben – für Musikerinnen und Musiker ebenso wie für das Organisationsteam: Eine zehnteilige erlesene Käseplatte und ebenso viele verschiedene exquisite Salate – solche kulinarischen Höhenflüge übersteigen die üblichen Möglichkeiten einer Tourneeverpflegung bei Weitem.
Die nächst Station der Reise ist der Starnberger See. Im Vergleich zum Comer See wirkt er beinahe klein – gleichwohl sehr anziehend, um in den Probenpausen Erholung und Abwechslung zu bieten. In der Schlossberghalle tritt das Orchester mit einem erweiterten Programm auf. Der erst neun Jahre alte Pianist Louis Zhang, ein musikalisches Ausnahmetalent aus Starnberg, interpretiert gemeinsam mit der DSP Bachs Klavierkonzert A-Dur. Am Ende steht er, gemeinsam mit DSP-Maskottchen Bär Bruno, auf der Bühne – ein Bild, das sich einprägt, denn nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich ist dieses Konzert eine Begegnung auf Augenhöhe gewesen.
Tourneealltag à la DSP: Morgens noch in München, abends bereits ein Konzert zur Eröffnung einer neuen Konzertreihe in der Lutherkirche Leipzig, anschließend Übernachtung in Torgau, einer Kleinstadt mit Renaissance-Schloss und – zur Überraschung vieler – mit drei echten Bären im Schlossgraben. Die Orchestergemeinschaft ist inzwischen eng zusammengewachsen: abends wird geprobt, musiziert, erzählt, gelacht. Die Eindrücke aus Leipzig bleiben Gesprächsthema bis spät in die Nacht. Zeitgleich findet in Torgau eine renommierte Sängerakademie statt. Dies ist nicht nur abends auf den Gängen der Unterkunft zu hören, sondern führt auch zu einem ausgefallenen Probenraum für die DSP: ein prunkvoller Festsaal auf einem nahegelegenen Pferdegestüt.
Im vorletzten Abschnitt der Reise übernimmt der junge Dirigent Emmanuel Tjeknavorian die musikalische Leitung. Als Solist und Dirigent international gefragt und derzeit Chefdirigent an der Mailänder Scala, ist er der DSP seit vielen Jahren eng verbunden. Mit großer Energie, Präzision und einem herrlichen Sinn für Humor arbeitet er mit dem Orchester auf höchstem Niveau – ganz selbstverständlich, so als wären die Jugendlichen bereits ausgebildete Profis.
Der Abschluss der Sommertournee findet in Bad Lauchstädt statt – ein Ort, der historisch aufgeladen ist und dessen klassizistisch ausgestaltetes Kurtheater einst von Goethe sehr geschätzt wurde. Die Deutsche Streicherphilharmonie spielt, wie an diesem geschichtsträchtigen Ort üblich, ein Nachmittagskonzert. Im ersten Teil dirigiert Chefdirigent Wolfgang Hentrich das Orchester. Wie bereits in Leipzig erhält das Programm besondere Tiefe durch Schostakowitschs Kammersinfonie op. 110a, eine Bearbeitung seines 8. Streichquartetts durch Rudolf Barschai. Der Komponist bezeichnete das Werk selbst als sein eigenes Requiem – eindringlich und intensiv. Im zweiten Konzertteil übernimmt Emmanuel Tjeknavorian den Taktstock und bringt mit den jungen Musikerinnen und Musikern Tschaikowskis Streicherserenade zum Klingen, wie es selbst Profiorchestern nur selten gelingt. Das Publikum ist entsprechend euphorisiert und spendet nicht enden wollenden Applaus.
Und doch: Der eigentliche Schlusspunkt der Tournee steht erst noch bevor. In Leipzig belegt das Orchester für zwei Tage die Paul-Gerhardt-Kirche, um Schostakowitschs Kammersinfonie für eine CD-Produktion mit Genuin Classics aufzunehmen. Möglich wird dies, wie auch bei den vorherigen CDs der Deutschen Streicherphilharmonie, durch die Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur. In konzentrierter Atmosphäre entstehen hervorragende Aufnahmen des fünfteiligen Werks, trotz Erschöpfung nach mehr als zwei Wochen auf Tour.
Als das Orchester am letzten Abend auf der Trepper vor der Kirche sitzt, ist die Entwicklung innerhalb der beiden intensiven Tourneewochen bei einigen der Kinder und Jugendlichen deutlich zu sehen und spüren: musikalisch wie auch menschlich. Da ist sie ganz deutlich spürbar: diese DSP-Familie, die seit Generationen besteht. Seit 52 Jahren gibt es die Deutsche Streicherphilharmonie – und sie bleibt ein Ort, an dem sich junge Menschen begegnen, voneinander lernen und gemeinsam wachsen.
Am nächsten Tag kehren alle zurück in ihren Alltag, verteilt über ganz Deutschland. Doch bereits im November beginnt die nächste Arbeitsphase – dieses Mal in der Kulturhauptstadt Europas 2025: Chemnitz.

Fotos: Markus Gottschall | Anna-Lea Marquigny | Villa Vigoni